Trance-Geschichten für Kinder

Einführung mit Beispiel von Volker Friebel

Was ist Trance?

Das Wort ‚Trance’ ist abgeleitet vom lateinischen ‚transire’, das ‚überschreiten’ oder ‚hinübergehen’ oder ‚verwandeln’ bedeuten kann. Mit Trance gemeint ist ein besonderer Bewusstseinszustand, der durch eine schlafähnliche eingeengte Aufmerksamkeit gekennzeichnet ist. Trance kann damit als Gegensatz zur Achtsamkeit verstanden werden, die sich durch eine besonders starke Wachheit und eine weite, ungerichtete Aufmerksamkeit auszeichnet.

Auslöser einer Trance ist meist die Konzentration auf sich wiederholende Reizmuster, sei es in der Musik, sei es in der Sprache, sei es durch sich wiederholende Schrittfolgen (Tanz), auch etwa durch Lichtblitze.

Im Zustand der Trance sind Menschen besonders empfänglich für äußere Eindrücke. Deshalb ist dieser Zustand für die psychologische Arbeit so interessant. Dann sind in der Trance sonst wirksame Abwehrmechanismen abgeschwächt. Das ist auch für psychologisch vermittelte Entspannung von Bedeutung. So wurde das Autogene Training, eines der bekanntesten Entspannungsverfahren, als Methode der Autosuggestion oder Selbsthypnose entwickelt, hat also Trance als eine Grundlage.

Denn Trance erleichtert ein Ansprechen der unbewussten Teile des Geistes, das Lösen von Spannungen, das Ansprechen von Entspannung, Konzentration, Wiederherstellung der Selbstheilungskräfte, Erweiterung der Weltsicht, Herausführen aus Verengungen und Verhärtungen.

Mittel der Trance-Induktion sind besonders bei Menschen hilfreich, die bewusste oder unbewusste Widerstände gegen Entspannung oder die psychologische Arbeit und Auseinandersetzung haben. Aber auch bei für Entspannung empfänglichen Menschen kann sie diese vertiefen.

Trance-Geschichten

Trance-Geschichten versuchen, mit Trance-Elementen Entspannung zu vertiefen und die Aufnahme etwa von Affirmationen und hilfreichen Vorsätzen, auch einer positiven Auseinandersetzung mit Problemen, zu erleichtern.

Ein logischer Handlungsablauf steht bei Trance-Geschichten nicht im Vordergrund. Immer wieder führt die lockere Handlung auf Sinneseindrücke und Betrachtungen hin, die Suggestionen enthalten, wobei hier weniger direkte Aussagen vorherrschen, sondern Umkreisungen und Andeutungen. Dies auch, da direkte Aussagen eher zum Widerspruch herausfordern, indirekte oder vage Äußerungen dagegen die Aufnahmebereitschaft steigern. Eine Trance wird bei diesen Geschichten also durch die Wahl der Worte und Aussagen ausgelöst.

Wie bei Fantasiereisen oder Imaginationen werden gerne bildhafte Vorstellungen verwendet. Eine Sprache in Bildern reicht meist tiefer als eine abstrakte Sprache mit logischen Begründungen. Alles, was wir wahrnehmen, ob real oder vorgestellt, wirkt auf unseren Körper und auf unseren Geist. Sich in eine schöne Situation zu begeben und diese wahrzunehmen, beruhigt. Beruhigend wirkt auch bereits die Vorstellung der Situation. Eine Vertiefung der Wirkung erfolgt durch das bewusste Wahrnehmen in allen seinen Aspekten, mit allen seinen Sinneseindrücken.

Unser Handeln und Erleben erfolgt weit überwiegend unbewusst. Durch Bewusstheit können wir es verändern, können seine Richtung steuern. Wir gehen in die Richtung unserer Vorstellungen. Wenn ich mir vorstelle zu fliegen, fliege ich nicht, aber ich kann mich leichter fühlen und freier. Ich kann die Dinge von oben sehen und so eine andere Sicht auf sie gewinnen, die meine bisherige Sicht ergänzt und meine Einstellung verändert. Unser Handeln ist wesentlich von Einstellungen bestimmt. Eine Veränderung von Einstellungen führt also auch zu einer Veränderung unseres Verhaltens.

Vortrag und Rahmen

Auf keinen Fall sollte eine Trance-Geschichte wie eine normale Erzählung vorgelesen werden. Pausen sind wichtig, immer wieder ein, manchmal zwei, gelegentlich noch mehr Atemzüge Pause auch mitten im Satz, vor und nach tragenden Wörtern oder Satzteilen. Absätze und die häufig in den Text gesetzten drei Pünktchen erinnern daran.

Auch innerhalb der Sätze sollte die Geschwindigkeit des Sprechens verändert werden. Sowohl Verlangsamung als auch Beschleunigung steigern die Aufmerksamkeit. Wichtig ist einfach, immer wieder eine Veränderung vorzunehmen. Verlangsamung bewirkt meist eine Beruhigung und Vertiefung, Beschleunigung dagegen eine Beschleunigung auch des Atems und des Herzschlags. Insgesamt sollte der Vortrag eher langsamer und ruhiger als bei einer ‚normalen’ Geschichte erfolgen. Das fördert die Intensität.

Die Augen des Hörenden sind am besten geschlossen – dann können sich bildhafte Vorstellungen besser entwickeln. Am Anfang der meisten Trance-Geschichten wird das angesprochen.

Das Kind sollte während der Trance-Geschichte nicht reden. Erst hinterher sollte über die Geschichte und das Erlebte geredet werden.

Auch Liegen ist hilfreich, mindestens bequemes Sitzen, da es der Entspannung entgegenkommt. Aber auch das bloße Zuhören, selbst schon das eigene Lesen wirken.

Günstig ist es, Geschichten zu wiederholen. Auch kann anschließend über das Erlebte geredet werden oder das Kind malt etwas zur Geschichte. Denn manche Vorstellungen und Techniken, die in den Trance-Geschichten angesprochen werden, lassen sich durchaus in den Alltag übertragen, so dass die Kinder etwas in die Hand bekommt, das sie selbstständig zur Entspannung oder Problemlösung einsetzen können. Darüber sollte nach den Geschichten mit den Kindern gesprochen werden.

Vor der ersten Trance-Geschichte kann mit dem Kind geredet und ihm etwa Folgendes vermittelt werden: Ob es ihm möglich ist, sich etwas vorzustellen? Einen Ball vielleicht? Einen Vogel? So werden in der Geschichte auch Dinge genannt, die man sich vorstellen kann, eine Treppe zum Beispiel. Da soll das Kind einfach versuchen, gut zuzuhören und sich alles Genannte gut vorzustellen. Das sei nämlich eine besondere Art von Geschichte, bei der man auch selbst etwas tun kann, außer zuhören, nämlich sich alles gut vorstellen.

Wege

Trance-Geschichte für Kinder zu Mut

Mach es dir ganz bequem … Während du dich noch räkelst, kannst du schon beginnen, dich zu entspannen und ruhiger zu werden … Und deine Augen können beginnen, eine Stelle im Raum vor dir zu suchen, an der sie verweilen möchten … Und während du diese Stelle ansiehst, kann sie etwas zu verschwimmen beginnen … Und während das geschieht, hören deine Ohren vielleicht Geräusche um dich … aus dem Raum … oder von draußen … oder anderswoher … Und während du immer noch die Stelle anschaust, kann sie gleichgültiger werden … Und dann kann es gut sein, dass du, irgendwann, die Augen schließen möchtest … und dass es sich gut anfühlt, die Augen zu schließen, so wie man die Augen schließt, um eine Geschichte zu hören …

Du spürst deinen Atem gehen, ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein … Du spürst, dass es ganz einfach ist, auszuatmen und beim Ausatmen die Luft loszulassen, dass sie im Raum verschwindet …

Du fragst dich vielleicht, ob es möglich ist, auch anderes loszulassen. Und du fragst dich, was das denn sein könnte, irgendetwas, eine Sorge, etwas, das in dir ist und das du nicht magst, einfach loslassen, dass es mit der Luft deines Atems langsam im Raum verschwindet, dass es weniger und weniger wird, weil es immer mehr mit der Luft deines Atems im Raum verschwindet …

Vielleicht kannst du spüren, wie schön es ist, wenn etwas, das du nicht magst, so einfach immer weniger wird und verschwindet … Und wie etwas anderes an seine Stelle treten kann, das du magst … vielleicht ein Lachen oder die Stimme eines Freundes oder ganz einfach eine Zuversicht … wenn niemand es aufhält …

So können Bilder in dir aufsteigen, wie im Traum, und wieder ver schwinden. Vielleicht sind es Bilder, die du schon kennst und denen du gerne folgst … Es gibt im Traum die Möglichkeit, vieles zu tun, das sonst schwierig ist, aber auch möglich, und manches ist unmöglich. Aber es ist möglich, in deinen Gedanken einfach einen Weg zu gehen, durch einen lichten Wald.

Der wohltuende Takt deiner Schritte …

Vielleicht klingen Vogellieder in den Wipfeln der Bäume. Jeder Vogel singt so schön wie er kann, so laut wie er kann. So klein er auch ist, hält sich doch kein Vogel zurück, mit seiner Stimme, mit der Bewegung seiner Flügel, wenn er von einem Ast durch den Wald zu einem anderen Ast fliegt. So ist es ein gutes Gefühl, deinen Weg leicht und frei zu gehen … voller Zuversicht …

Du kommst an einen Fluss mit einer Hängebrücke. Andere Kinder sind schon vor dir angelangt. Manche sehen wie Vögel aus, sie gehen einer nach dem anderen langsam über die Brücke und singen dabei … voller Zuversicht …

Es kann ganz leicht sein, in einer Reihe mit all den anderen Schritt um Schritt auf der Hängebrücke zu setzen, so leicht wie im Traum … Vielleicht hörst du dem Singen der anderen zu, dem Singen der Vögel … Vielleicht singst du auch selbst …

Dein Atem geht ein und aus … Bei jedem Ausatmen lässt er die ver brauchte Luft einfach los … und bei jedem Einatmen schöpft er neue Luft, die ihm gut tut, die ihn stark macht … Und mit der Luft deines Atems wächst auch die Stärke in dir …

Auf der anderen Seite des Flusses liegt die Stadt der Zuversicht … Alle seid ihr hinübergekommen, über die Brücke, so wie man eben an das Ende eines Weges kommt, wenn man den Weg Schritt für Schritt einfach geht …

Vielleicht fallen dir andere Wege ein, die du schon gegangen bist und immer wieder gehst oder gehen wirst. Vielleicht den Weg zur Schule (oder zum Kindergarten) oder den Weg zum Bäcker oder den Weg zu deinen Freunden … Vielleicht war mancher der Wege erst schwer und ist jetzt ganz selbstverständlich … So wie jeder Weg selbstverständlich werden kann, wenn du ihn gehst …

Wenn man einen Weg immer wieder geht, dann vergisst man ihn oft. Das ist dir wahrscheinlich auch schon passiert, dass du dich aufgemacht hast, einen Weg zu gehen – und dann warst du schon da. Ganz in Gedanken hast du auf den Weg gar nicht geachtet, sondern deine Füße sind den Weg ganz selbstverständlich gegangen …

Du fragst dich vielleicht, ob es möglich ist, jeden bekannten Weg zu gehen, wenn du deine Füße einfach gehen lässt, ohne weiter auf die Bäume oder die Steine des Weges zu achten … Vielleicht kannst du dann auch die Ruhe spüren und den selbstverständlichen Mut deiner Füße …
Du spürst dann sicher auch deinen Atem gehen, ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein … Und mit deinem Atem kannst du wieder aus der Ruhe in den Raum hier zurückkommen … Du kannst die Geräusche im Raum hören … Du spürst den wirklichen Raum um dich … Die Ruhe und die Zuversicht aber sind immer noch da …

Und wenn du bereit bist, dann öffnest du die Augen und reckst und streckst dich.

Weitere Trance-Geschichten
Zum Einschlafen: Die Traumwiese
Zur Konzentration: Das Eichhörnchen
Zur Angst: Die Treppe zur Zuversicht
Zur Aggression: Malu kann spüren
Zur Freude: Das Haus im Wind

 

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Aus: Volker Friebel (2014): Trance-Geschichten für Kinder – Ruhe und Kraft, Mut, Selbstbeherrschung, Leichtigkeit und Freude, Konzentration, Schlaf: Sechs thematische Sammlungen. Edition Blaue Felder, Tübingen.

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Ein Präsenz-Kurs, in dem wir Menschen, die mit Kindern arbeiten oder arbeiten möchten  Entspannungspädagogik vermitteln: Entspannungspädagogik für Kinder.

Ein Online-Kurs für Eltern mit einer Traumstunde für Kinder, die auf Fantasiereisen aufbaut: Entspannung für Kinder.

 

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