Malu kann spüren

Trance-Geschichte von Volker Friebel zur Förderung der Selbstwahrnehmung

 

Mach es dir ganz bequem … Während du dich räkelst, kannst du beginnen, dich zu entspannen … Und deine Augen können beginnen, eine Stelle im Raum vor dir zu suchen, an der sie verweilen wollen … Und während du diese Stelle ansiehst, kann sie zu verschwimmen beginnen … Und während das geschieht, hören deine Ohren vielleicht Geräusche um dich … aus dem Raum … oder von draußen … oder anderswoher … Und während du immer noch die Stelle anschaust, kann sie immer gleichgültiger werden … Und dann kann es gut sein, dass du, irgendwann, die Augen schließen möchtest, und dass es sich gut anfühlt, die Augen zu schließen, so wie man die Augen schließt, um eine Geschichte zu hören …

Ich zähle nun langsam von Fünf bis Null. Die Ruhe in dir kann dabei immer tiefer werden, bis du angenehm ruhig bist …

Fünf – Du hörst noch die Geräusche um dich … Jedes Geräusch geschieht in der Stille … Du spürst die Ruhe um die Geräusche immer stärker werden und alle Geräusche umfangen …

Vier – Geh in Gedanken durch deinen Körper und versuche überall, die Ruhe zu empfinden … Vielleicht kannst du schon spüren, wie die Ruhe immer noch tiefer wird …

Drei – Achte auf deinen Atem, er geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein … Du spürst bei jedem Atemzug die Ruhe in dir …

Zwei – Stell dir einen Meeresstrand vor … Mit jedem Atemzug, der geschieht, rauscht eine Welle sanft an den Strand … Stell dir vor, wie du mit jeder Welle ruhiger wirst, wie du immer tiefer in die Ruhe kommst …

Eins – Stell dir eine Schildkröte vor, die aus dem Meer an Land steigt. Sie kriecht ruhig und langsam den Strand hinauf zu den Palmen … Ihr Kopf schaut unter dem starken Panzer vor, er dreht sich gemächlich hierhin und dahin. Dann lässt sie sich unter einer Palme nieder und schaut hinaus auf das Meer …

Null – Stell dir den Himmel über den Palmen vor … Langsam treiben weiße Wolken durch das Blau … Stell dir die Ruhe der weißen Wolken vor und spüre, wie du selbst immer noch ruhiger wirst …

Die Schildkröte Malu schaut hinaus auf das Meer … Sie spürt die Wellen des Meeres auch in sich, das ist ihr Atem … Das Meer geht hin und her, hin und her … Ihr Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein …

Der Panzer der Schildkröte ist hart – aber unter dem Panzer kann sie sehr weich und fein sein … Sie kann alles genau wahrnehmen, was um sie herum geschieht …

Vom Baum fällt eine Kokosnuss und schlägt schwer auf die Erde. Malu zieht ein bisschen den Kopf ein und lauscht … Die Schildkröte spürt ganz genau, was um sie herum vorgeht … Da ist in der Ferne das Meer … Unter den Palmen ist Schweigen … Malu spürt in sich dem Schreck nach … Sie spürt, wie durch den Schreck ihr ganzer Körper wach und stark und bereit wurde … „Erst spüren, dann denken, dann tun“, sagt sich die Schildkröte. Sie spürt ihren Schrecken, sie denkt, dass die Kokosnuss jetzt harmlos ist, sie beruhigt sich wieder und achtet auf ihren Atem … Sie achtet auf ihren Atem und lässt die Ruhe in sich noch tiefer werden …

Eine Affenschar turnt in den Palmen heran. Die Äffchen kreischen laut. Die Schildkröte hört genau, wo über ihr im Palmenwipfel die Äffchen sind … Die Äffchen sind sehr laut. Sie reißen an den Kokosnüssen. Eine Kokosnuss wird losgerissen und fällt schwer in den Sand neben Malu. Was für ein Schreck! Die Schildkröte lauscht in sich hinein. Sie spürt ihren Ärger über die Äffchen … Wie leicht hätte die schwere Nuss auf sie fallen können! „Erst spüren, dann denken, dann tun!“, das ist der Spruch. Malu spürt den Ärger in sich. Sie weiß, dass die Äffchen frech, aber harmlos sind. Sie achtet auf ihren Atem und lässt den Ärger weniger werden … Die Ruhe in ihr wird wieder groß …

Ein Äffchen ist den Stamm hinuntergeklettert. Erst zerrt es an der Kokosnuss. Doch die ist viel zu schwer. Dann hat es die Schildkröte entdeckt … Das Äffchen turnt zur Schildkröte … ,Erst spüren, dann denken, dann tun!‘, lautet der Schildkröten-Spruch. Malu spürt die Angst in sich aufsteigen. Sie denkt, dass das Äffchen sie ärgern will. Sie zieht den Kopf und die Gliedmaßen in ihren Panzer zurück … Das Äffchen springt um die Schildkröte herum und schreit … Aber Malu kümmert das nicht … Sie achtet auf ihren Atem und lässt die Ruhe in sich groß werden … So wartet sie einfach, bis dem Äffchen langweilig geworden ist und es davonspringt …

Malu streckt den Kopf aus dem Panzer und freut sich an der warmen Sonne … Hier ist ein besonders guter Platz! … Da kommt eine andere Schildkröte heran. Sie schauen sich an. Die andere Schildkröte ist genausogroß oder sogar ein bisschen größer. Sie möchte den schönen Sonnenplatz von Malu haben und bewegt sich drohend auf sie zu. ,Erst spüren, dann denken, dann tun!‘, lautet der Schildkröten-Spruch. Malu spürt die Wut in sich hochsteigen. Sie spürt, wie ihre Muskeln hart werden und sie bereit für einen Kampf wird …

Dann denkt sie, dass es hier überall schöne Sonnenplätze gibt. Und dass sie gerne von ihnen beiden die Schildkröte sein will, die sich am wenigsten ärgert. Kämpfen kann sie zwar auch, aber das ist nicht so wichtig, das macht sie nur, wenn es gar nicht anders geht. „Geht es hier gar nicht anders?“, fragt sie sich. „Oder kann ich auch einfach fortgehen und zeigen, wie gut ich mich im Griff habe?“, fragt sie sich – und entscheidet sofort „Ja, das kann ich!“ … Und so zieht sie sich zurück und kriecht einfach ein Stück weiter …

Schon hat sie einen anderen Sonnenplatz gefunden und macht es sich dort wieder gemütlich … „Das habe ich gut gemacht!“, sagt Malu tief in sich hinein. Sie freut sich. Sie spürt, wie die Aufregung in ihr weniger wird und lässt sie noch weniger werden … Sie achtet auf ihren Atem und lässt die Ruhe in sich groß werden … Malu lauscht dem fernen Donnern der Brandung und fühlt sich gut …

Langsam kehrst du nun zurück vom Palmenstrand und der Schildkröte Malu in die Ruhe des Raums … Ich zähle nun von Eins bis Drei und mit jedem Zählen kommst du ein Stück weiter zurück …

Eins – Du kannst noch der Ruhe in dir nachspüren … Du spürst in dir vielleicht auch die Freude …

Zwei – Dein Atem kann nun schneller und tiefer werden … Achte auf die Geräusche im Raum … Die Ruhe und die Freude sind immer noch da …

Drei – Du bist nun wieder ganz hier. Wenn du soweit bist, dass sich die Augen öffnen möchten, dann lass das einfach geschehen … Atme dann einmal tief durch, reck dir und streck dich …

 

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Aus: Volker Friebel (2014): Trance-Geschichten für Kinder – Ruhe und Kraft, Mut, Selbstbeherrschung, Leichtigkeit und Freude, Konzentration, Schlaf: Sechs thematische Sammlungen. Edition Blaue Felder, Tübingen. PapierBuch und eBuch.

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