Grünenstein und die Langeweile

Entspannungsgeschichte von Volker Friebel

 

Du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.

Die Wolkentreppe endet am Sandstrand einer Insel, die euch bekannt vorkommt. Und da taucht er auch schon auf, der kleine Drache Grünenstein.

„Hallo, hallo“, winkt er euch zu und schnaubt ein paar Rauchwölkchen. „Wie schön, dass ihr mal wieder vorbei schneit!“

„Was geht?“, fragst du. „Bricht der Vulkan wieder aus?“

„Der ist ganz friedlich“, grollt Grünenstein. „Aber ein Piratenschiff wurde gesichtet“, setzt er dazu. „Das wird ein Vergnügen!“

„Von wem gesichtet, vom Wetterdienst?“, fragst du, „und wann?“

„Von mir, eben jetzt“, grollt Grünenstein und deutet mit seiner Pranke hinaus auf das Meer. Tatsächlich, da draußen kämpft ein Segelschiff gegen die Wogen und kommt langsam näher.

„Ich sehe nichts von hier unten“, maunzt Mieze. Grünenstein hebt sie hoch, damit sie einen besseren Ausblick hat.

„Sie schaffen es gegen die Brandung – prima“, grollt Grünenstein.

Da sausen ein paar Schatten vom Vulkan in den Himmel. „Opa Fauchenstein und seine Kegelrunde“, grollt Grünenstein. „Dass die nie warten können!“

Die Drachen schwingen über das Meer Richtung Piratenschiff. Das hat die Gefahr erkannt. Es wendet und nimmt Kurs auf den Horizont. Bald ist es in der Weite verschwunden. Die Drachen kehren um, zurück zum Vulkan.

„Schade!“ Grünenstein ist enttäuscht. „Gar nichts los. Mir ist langweilig.“

„Wenn nichts los ist, machen wir eben selbst etwas“, sagst du. „Die besten Sachen kannst du nur selber machen.“

„Aber was machen und wie?“, fragt Grünenstein.

„Alles ist gut – irgendwas“, sagst du.

„Wir könnten Mäuse fangen“, schnurrt Mieze.

„Ich weiß ein Spiel“, sagst du. „Jeder sagt eine Farbe.“

„Grau wie eine Maus“, schnurrt Mieze.

„Schwarz wie die Augenklappe eines Piraten“, grollt Grünenstein.

„Blau wie der Himmel“, sagst du.

„Aber der Himmel ist rot, wenn der Vulkan Feuer speit“, widerspricht Grünenstein. „Dann ist was los!“

Du seufzt. „Was machst du denn, wenn gar nichts los ist?“, fragst du.

Grünenstein überlegt. „Ich lausche den Wellen des Meeres“, sagt er. „Und dann rieche ich das Meer, das Salz in der Luft, die Frische, die Kraft …“

„Wenn nicht los ist, ist eigentlich viel mehr los, als wenn etwas los ist“, schnurrt Mieze. „Weil ich mehr rieche – und höre – und sehe.“

„Eben das, was man sonst nicht riecht und hört und sieht, weil es klein und bescheiden ist“, meint Grünenstein.

„Wie schön, dann einmal Zeit für das Stille zu haben“, sagst du.

„Bis der Vulkan wieder ausbricht!“, grollt Grünenstein.

Ihr lauscht noch ein wenig dem Meer.

Es ist spät geworden – und es war schön, obwohl gar nichts los war. Oder eben deshalb. Ihr verabschiedet euch von Grünenstein und geht zur Wolkentreppe zurück. Stufe um Stufe steigt ihr empor. Mit jeder Stufe merkst du, wie du ruhiger wirst.

Im Wolkenschloss legt ihr euch auf das große blaue Sofa und schließt die Augen.

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen.

Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.

 

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Aus dem Buch: Volker Friebel (2019): Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss. Edition Blaue Felder, Tübingen. Mit Illustrationen.

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