Fantasiereise zur guten Nacht von Volker Friebel
Stell dir in Gedanken eine breite Treppe vor, die vor dir beginnt und durch eine schöne Landschaft immer tiefer führt … Geh langsam die Treppe hinab, Stufe um Stufe … Vielleicht spürst du dabei schon, wie dein Atem ruhiger wird … Vielleicht spürst du dabei in dir schon die Ruhe wachsen … Die Stufen enden an einer Wiese …
Am Rand eines Kornfelds steht eine Mohnblume … Ein leichter Wind bewegt ihren langen Stiel, bewegt ihre großen roten Blütenblätter … Der Wind streicht weiter ins Korn, lässt es rascheln, wenn die Halme und die schweren Ähren gegeneinander schlagen … Ein Windstoß, dann wieder Stille … Und aus der Stille entstehen die vielen kleinen Geräusche …
Da ist dieses Knistern im Korn … Auch wenn gar kein Wind geht … Es ist nicht immer zu hören, nur manchmal, wenn es ganz still ist … Und wenn die Strahlen der Sonne das Korn erwärmen …
Da ist im Himmel das Lied einer Lerche … Ton um Ton fließt das Lied, endlos verschlungen, nur selten macht es eine kurze Pause …
Ob die Lerche dann selber lauscht? … Vielleicht auf das Lied einer anderen Lerche? … Vielleicht auf den Klang des Himmels? … Vielleicht auf die fernen Glocken einer Siedlung? … Vielleicht auf das Lied dieser Mohnblume – wenn auch Menschenohren gar nichts davon hören können? …
Eine Biene summt durch den Himmel heran … Schwer lässt sie sich nieder, im Kelch des roten Mohns … Sie krabbelt in ihm, sucht süßen Nektar …
Nun sitzt die Biene ganz still. Nur ihr Leib pocht … Eine ganze Weile sitzt sie da und lässt sich leicht vom Wind wiegen, der wieder begonnen hat …
Dann breitet sie die Flügel aus und fliegt davon … Immer kleiner und kleiner wird sie und verschwindet im Himmel …
Auf dem Feldweg sitzt eine Grille und zirpt … Ein Stückchen weiter, aus einer Wiese, antworten ihr andere Grillen … Das Zirpen der Grillen ist wie ein helles Meer aus Klang über Kornfeld und Wiese und Feldweg …
Und mitten im Meer aus Klang blüht die rote Mohnblume … ganz still …
Ob die Grillen auch etwas von der Stille des roten Mohns in sich tragen? … Vielleicht, tief innen, wo alles still ist und stark und vollkommen …
Ob die Lerche auch etwas von der Stille des roten Mohns in sich trägt? … Vielleicht, tief innen, wo alles still ist und stark und vollkommen …
Ob die Ähren des Kornfelds auch etwas von der Stille des roten Mohns in sich tragen? … Vielleicht, tief innen, wo alles still ist und stark und vollkommen …
Auf dem Feldweg hoppelt ein Hase … Über den Acker kam er, vom Wald – und hoppelt nun den Feldweg hinunter, wo der Bach fließt … Mit einem Satz springt der Hase über die zirpende Grille hinweg, ohne sie auch nur zu bemerken … An der Mohnblume hoppelt der Hase vorbei, ohne sie auch nur zu bemerken … Den Feldweg hoppelt der Hase hinab, bis zum Bach – iverschwindet dort zwischen den Weidenbäumen …
Ein Schmetterling tänzelt über die Mohnblume hinweg. Der Hauch seines Flügelschlags streift sie … Leicht wiegt sie sich hin und her … Und ihr Wiegen wird stärker, als wieder Wind aufkommt …
Eine dicke Fliege kommt aus dem Himmel über dem Kornfeld, fliegt einen engen Bogen um den Mohn – und verschwindet wieder im Himmel …
So viele Wesen sind unterwegs … hierhin und dahin … Sie begegnen einander – und trennen sich wieder …
Der rote Mohn bleibt immer genau, wo er ist … Wenn auch die Sonne versunken ist … Wenn auch die Abenddämmerung immer stärker wird … Wenn auch der Mond langsam über den Feldern steigt …
Das Rot des Mohns wird blasser, so wie die Dämmerung stärker wird … Die Blume ist immer noch wunderschön …
Der Mond ist noch höher gestiegen, ganz langsam, unmerklich … Die Dämmerung geht über in die Nacht … Langsam erscheinen am Himmel die Sterne …
Auf der Mohnblume liegt nun das Licht des Mondes … Auf der Mohnblume liegt nun das Licht der Sterne … Unendlich weit sind sie fort … Aber diese Strahlen sind gerade jetzt hier angekommen, auf den Blütenblättern des Mohns … Der ganz still ist … Der vielleicht schon zu träumen begonnen hat …
Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir … Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer … Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm … Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein … Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm … Die Ruhe trägt dich in die Nacht, hinein in den Schlaf, in freundliche Träume …
Diese Fantasiereise stammt von Volker Friebel und wurde noch in keinem Buch veröffentlicht.
Bücher von Volker Friebel gibt es etwa bei Amazon (der Link führt zur Liste dieser Bücher des Autors bei Amazon; bei Bestellung dort über diesen Link erhält der Autor von Amazon eine Provision).
Ein Präsenz-Kurs, in dem wir Menschen, die mit Kindern arbeiten oder arbeiten möchten Entspannungspädagogik vermitteln: Entspannungspädagogik für Kinder.
Ein Online-Kurs für Eltern mit einer Traumstunde für Kinder, die auf Fantasiereisen aufbaut: Entspannung für Kinder.
Zur Übersichtsseite Geschichten