Der junge Adler

Fantasiereise zur guten Nacht von Volker Friebel

 

Stell dir in Gedanken eine breite Treppe vor, die vor dir beginnt und durch eine schöne Landschaft immer tiefer führt  … Geh langsam die Treppe hinab, Stufe um Stufe … Vielleicht spürst du dabei schon, wie dein Atem ruhiger wird … Vielleicht spürst du dabei in dir schon die Ruhe wachsen … Die Stufen enden in einem Wald …

 

Hoch im Gebirge haben zwei Adler ihr Nest gebaut, ihren Horst, auf einem Absatz der Felswand. Die Adler kreisen gerade hoch in den Lüften – aber da sind noch zwei junge Adler, die schauen aus dem Horst in den Himmel hinein …

Im Himmel um den Adlerhorst ziehen Wolken … bauchige weiße Wolken, rund und groß – und sehr still … Sie ziehen langsam durch das Blau …

Zu hören ist nur der Wind, der um den Fels pfeift … und seitlich von der Felswand manchmal der Klang von Wasser, das hinunter ins Tal stürzt …

Und ab und zu das Fauchen der beiden jungen Adler, die sich um die beste Aussicht streiten, weil ihnen langweilig ist …

Die Alten sind schon lange fort, so lange wie selten zuvor. Und besonders der eine junge Adler, der ältere, schaut nicht nur in den Himmel, sondern auch steil hinunter ins Tal, wie hoch das Nest denn ist, und schlägt mit den Flügeln …

Die Flügel tragen, sie heben ihn ein Stück aus dem Horst hoch – aber schon fällt er wieder zurück, auf sein Geschwister – und sie fauchen sich wieder einander an …

Im Horst ist wenig Platz, hier kann er die Flügel kaum ausbreiten – aber dort draußen im Himmel … Der junge Adler spürt, dass er bereit ist. Das haben ihm auch die Eltern gesagt – aber er traut sich nicht recht …

Die Wolken ziehen endlos vorbei … Der Wind pfeift, mal stärker, mal schwächer … Und da ist der Klang des stürzenden Wassers …

Der junge Adler stellt sich auf den Rand des Horstes … Wind fährt ihm unter die Flügel – er wirft sich hinein, er wirft sich in den Himmel. Und der Himmel trägt ihn …

Der junge Adler gleitet mit ausgebreiteten Flügeln im Wind … Sein Geschwister schaut ihm nach – und bleibt ihm Horst. Es spürt, dass es noch nicht bereit ist, es schaut so, wie der Ältere fliegt und freut sich mit ihm … Und das Geschwister weiß, bald wird auch es so fliegen …

Brausender Himmel … Der Himmel ist ein Freund … und der Wind ist ein Freund … und Freund ist die wärmende Sonne … Der junge Adler schwebt durch den Himmel, in weiten Kreisen, fast ohne Flügelschlag …

Das ist der Berg, an dessen Seite der Horst thront … Dort sind andere Berge … Dort sind Täler … Diese blauen Rinnsale müssen die Bäche sein, von denen die Eltern erzählten … Und das Rote müssen die Dächer von Häusern sein …

Der junge Adler schwebt durch den Himmel … Er lässt sich tragen vom Himmel und vom Wind … Er spürt die Freude in sich – und eine Leichtigkeit … Er spürt tiefe Ruhe, freudige Ruhe … Er spürt seine Ruhe, die Ruhe eines Adlers im Himmel …

Kreise im Himmel, um den Berg … So nahe kommt der junge Adler dem Horst, dass er sehen kann, wie sein Geschwister ihn mit offenem Schnabel beobachtet … Er ruft ihm zu – und fliegt noch eine Runde durch den Himmel …

In der Ferne, die beiden schwarzen Punkte, ob das andere Adler sind? Langsam kommen sie näher. Einer ruft, nun auch der andere – es sind die Eltern … Schon fliegen sie nebeneinander … Die Eltern freuen sich mit dem jungen Adler zusammen über seinen ersten Flug …

Hinter Bergen versinkt die Sonne. Es ist Abend geworden, die Schatten wachsen … Wer ein Zuhause hat, sucht es nun auf, für die Nacht … Die Adler fliegen zu ihrem Horst …

Einer nach dem anderen landen sie, erst der junge Adler – das Geschwister begrüßt ihn, zaust ihm die Federn … Dann die Eltern …

Sie legen sich hin … Sie machen es sich gemütlich, nah beieinander … Eine Weile fauchen sie noch, erzählen … Aber bald wird es still … Die Adler betrachten den Mond, der über die Berge zu steigen beginnt …

Ob sie die Schönheit des Mondes so spüren, wie wir Menschen sie manchmal empfinden, die Schönheit? …

Ob sie die Ruhe des Mondes so spüren, wie wir Menschen sie manchmal empfinden, die Ruhe? …

Ob sie die stille Kraft des Mondes so spüren, wie wir Menschen sie manchmal empfinden, die stille Kraft? …

Die Dämmerung ist stärker geworden, einer nach dem anderen kommen am Himmel die Sterne hervor …

Auch in den Augen des jungen Adlers leuchten die Sterne … Sein Geschwister ist schon eingeschlafen … Seine Eltern schlafen gerade ein … Und auch der junge Adler schließt nun seine Augen … Bald wird er schlafen … halb ist er schon in einem Traum … einem Traum vom Himmel vielleicht … vom Flug durch den Himmel …

 

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir … Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer … Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm … Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein … Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm … Die Ruhe trägt dich in die Nacht, hinein in den Schlaf, in freundliche Träume …

 

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Diese Fantasiereise zur guten Nacht stammt von Volker Friebel und ist noch in keinem Buch veröffentlicht.

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